Editorial August

Müßigang ist aller Laster Ende

Kapitel 10

Endlich ist der Sommer da und mit ihm 1000 Pläne, Vorhaben und was es sonst noch beim Erholen zu tun gibt. Haben wir den Müßiggang verlernt und bringt er überhaupt was er verspricht?

Editorial Juli

„Phasen des Müßigangs sind schöpferische Zustände.“

Der Begriff Müßiggang wird heute eigentlich kaum noch verwendet. Er bedeutet soviel wie „Nichtstun“ oder auch „sehr viel tun“. Im Grunde kann man beim Müßiggang machen, wonach einem der Sinn steht: aus dem Fenster sehen, die Sterne zählen, Leute beobachten, stricken, singen, dösen, Kleidung aussortieren oder auch einfach im Sessel sitzen. In Jedem Fall aber geschieht die Tätigkeit ohne jeden Leistungs- und Ergebnisdruck. Zwang, Eile und Hektik existieren in der Welt des Müßiggängers nicht. Deswegen wird der Müßiggang auch gerne mit Faulheit verglichen. Aber damit wird man ihm nicht gerecht. Denn beim Müßiggang passiert weit mehr als man denkt.

 

Neuere Studien zeigen, dass unser Gehirn während des Nichtstuns nämlich jede Menge zu tun hat. Zeiten des Müßiggangs sind sogar Voraussetzung für Lernen und Kreativität. Denn in all diesen Situationen, in denen Reize von Außen fehlen, beschäftigt sich unser Gehirn mit bereits Gesehenem, Gelerntem und sogar scheinbar Vergessenem. Manche Hirnregionen sind beim Tagträumen, Schlafen oder Meditieren sogar stärker aktiv als beim zielgerichteten Denken.

 

Auf diese Weise lassen sich auch die berühmt berüchtigten Geistesblitze erklären. So wurde Archimedes das Prinzip des Auftriebs beim Plätschern in der Badewanne bewusst und Newton entdeckte das Gesetz der Schwerkraft beim Dösen unterm Apfelbaum. Wer Neues lernen muss, sollte dies kurz vor der Schlafenszeit machen und sich dann – ihr ahnt es schon – zur Ruhe begeben. Daneben fördert Müßiggang auch die körperliche Regeneration: der Blutdruck wird gesenkt, die Durchblutung gefördert, der Energiehaushalt des Körpers verbessert, Stress reduziert und das Immunsystem gestärkt. Aber warum fällt es uns dann so schwer?

 

Der gesellschaftliche Wandel und das digitale Zeitalter sind so zu sagen natürliche Feinde des Müßigangs geworden. Wir haben gelernt, dass Zeit kostbar ist. Deshalb meinen wir, jede Aktivität rechtfertigen zu müssen. Nach einem langen Arbeitstag möchten wir das verbliebene Zeitfenster richtig „nutzen“. Ein Telefonat führe, während wir die Wäsche aufhängen und danach das Essen zubereiten. Und haben wir auf Instagram nicht von dem fabelhaften neuen Ausflugsziel erzählt bekommen? Das wäre doch etwas für unser Wochenende. Und plötzlich hetzen wir wir sogar in unserer freien Zeit den kleinen und großen Verabredungen hinterher und versuchen die Unruhe und Erschöpfung in uns mit mehr Tun zum Schweigen zu bringen.

Es ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält, antreibt wie entzweit – der Müßiggang. Große Philosophen haben ihm gefröhnt, große Denker ihre Entdeckungen zu verdanken und ganze Generationen mit ihm geliebäugelt. Heute scheint er ein bisschen in Vergessenheit geraten zu sein und wenn auch der alleinige Müßiggang nicht der Weisheit letzter Schluss ein kann, so trägt er doch eine große Kraft in sich, die uns fortträgt ins Unbekannte außerhalb unseres Hamsterrads.

 

 

Die Skepsis beim Blick auf die Liste.

 

 

Im Mittelpunkt unserer Juli-Ausgabe steht deshalb die Skepsis beim Blick auf die Liste. Ein liebevolle Erinnerung an den Unterschied zwischen „nicht arbeiten“ und „nichts tun“. An einen kritischen Blick auf all unsere Pläne und Verabredungen und vor allem unser „später“. Dieser Sommer beginnt jetzt.

 

Das Rezept des Monats ist unser cremig-fruchtigen Muschelnudeln mit Ricotta-Spinat Füllung und Paradeis-Ragout, deren Zutatenliste uns lang erscheinen mag, aber in deren Zeit, die wir für die Zubereitung benötigen, unseren Gedanken freien Lauf lässt. Das fruchtige Paradeis-Ragout, das uns direkt nach Italien versetzt liefert uns auch gleich das Moodfood des Monats. Die Tomaten, die lange Zeit als Zierpflanzen ihr Dasein fristeten, bis die südlichen Länder ihr Aroma für sich entdeckten. Heute wissen wir sogar, dass sie als natürliches Anti-Depressivum wirken können. Grund genug genauer hinzusehen.

Karin von Jubeltage stellt in ihrem Audio-Impuls einen Zusammenhang zwischen unseren übervollen Listen und dem Stichwort der Stunde – dem „Mental Load“ – her, spricht über ihr Burn-Out und wie wie sie sich seit letztem Jahr mit ihrem Mann auf eine neue Reise begeben hat. Zu Gast ist diesmal die Burgenländerin Carina von Mobyforty, die nicht nur ihr sensationelles Rezept für ein Baba Ganoush mit Zerwaste Brotchips mit uns teilt, sondern auch ihre ganz persönlichen Gedanken zu ihren Sommerplänen und der Frage, ob sie nicht dieses Jahr mal „Plan-Diät“ macht. Unsere Kathrin spricht in der Juli-Kolumne über ihren ganz persönlichen Mental-Load und warum das Loslassen von Kontrolle nach Grapefruit duftet.

 

Stephie schreibt in „Essen & Gesellschaft“ über das „Die Macht der Makellosen“ und was das Wettrüsten auf Social Media mit dem „Mädchen von nebenan“ mit uns macht. Und Nora schenkt uns in dieser Juli-Ausgabe einen Einblick in ihre sommerliche Tisch-Deko mit Früchten und Obst, die nicht nur gut aussieht, sondern auch gut schmeckt.

 

Das Gewinnspiel des Monats in dieser Juli Ausgabe ist der Bestseller aus Schweden „Happy Food“, der neueste wissenschaftliche Erkenntnisse rund um den Zusammenhang zwischen unserer Ernährung und unserem Wohlbefinden mit sensationellen Rezepten vereint. Und last but not least könnt ihr euch auch diesen Monat wieder ausgewählte Inspirations-Bilder unserer Fotografin Amélie Chapalain herunterladen und euch damit auf den kommenden Monat einstimmen.

 

Ich wünsche Euch von Herzen einen guten Start in den Monat Juli mit viel ausreichend Müßigang und Skepsis,

 

Kocht gut, seid gut – eure

 

Wir sind übrigens nur die eine Seite des Abos –  und ihr seid die andere. Schreibt uns eure Gedanken, tauscht euch hier oder in der Facebook-Gruppe (mit uns) aus, schickt Mails und Brieftauben, hinterlasst uns Kommentare (die können nur Mitglieder lesen), stellt uns Fragen, gebt uns Einsichten über eure Gefühlswelten und um Himmels willen – haltet euch nicht zurück!

 

Ich werde jede einzelne Zeile lesen und beantworten. Versprochen.

 

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